21. 02. 2011 | Von: kh
Wie wäre es damit, einen Kredit in Anspruch zu nehmen, ohne dafür Zinsen zu bezahlen? Eine Ausdehnung dieses Systems würde letztendlich sogar erlauben, zinsfreies Geld in Umlauf zu setzen. Wie dies möglich sein soll? Wer würde sein Geld zur Verfügung stellen, ohne durch Profit dafür belohnt zu werden? Die Lösung ist in dieses Bankensystem integriert. Anstatt starrer Zinsen, bietet es eine flexible Gewinnbeteiligung. Als Basis für die einzelnen Regelungen dient das Recht des Islams, genannt Scharia. Wie vor Jahrhunderten schon im Einflussbereich des Vatikans, ist nach muslimischem Recht auch heute noch die Verzinsung von Geld verboten.Organisiertes Islamisches Bankwesen existiert erst seit den 1970er-Jahren. 1975 wurde die Islamische Entwicklungsbank mit Sitz in Dschidda, Saudi Arabien, ins Leben gerufen. Im gleichen Jahr nahm die Dubai Islamic Bank ihre Geschäfte auf. Mittlerweile stehen in zumindest 75 Ländern an die 400 Geldinstitute zur Verfügung, die nach islamischem Recht operieren.
Als Kernelemente gelten das Verbot Zinsen zu fordern oder anzubieten sowie sich an Spekulationsgeschäften oder Glücksspiel zu beteiligen. Erwartungsgemäß sind Investitionen in Betriebe, die in Verbindung mit Alkohol, Pornographie oder der Verarbeitung von Schweinefleisch stehen, ebenfalls untersagt.
Stellt eine herkömmliche Bank einem Unternehmen einen Kredit zur Verfügung, werden nicht nur entsprechende Sicherheiten verlangt, auch wird ein Zinssatz festgesetzt, dessen Höhe vom Leitzinssatz und vom kalkulierten Ausfallsrisiko abhängt. Erstes Ziel der Bank ist jedoch, die Rückzahlung des Kredites unter allen Umständen gesichert zu wissen, auch wenn dies zum Konkurs des Kreditnehmers führen sollte. Sobald die Bank ein nennenswertes Ausfallsrisiko erkennt, wird dieses – dem Prinzip einer Versicherung ähnlich – durch höhere Zinsen abgegolten. Im Idealfall für die Bank trägt der Unternehmer oder Kreditnehmer das Risiko somit alleine. Die Bank verdient ausschließlich an der Bereitstellung des Geldes.Und genau dieser Punkt widerspricht islamischem Recht. Geld ist ein Mittel, das der Vereinfachung von Geschäftsabwicklungen dienen soll – im Gegensatz zum Tauschhandel. Die Möglichkeit, Vermögen durch gesicherten Zinsgewinn anwachsen zu lassen, fällt in den Bereich von Wucher. Wendet sich ein Unternehmen an eine islamische Bank zur Finanzierung eines Projektes, so bietet diese, wenn sie das Geschäft für lukrativ erachtet, eine Beteiligung an. Im günstigen Fall, wenn durch die Aktivitäten Gewinne erwirtschaftet werden, erhält die Bank einen Anteil dieses Profits. Endet das Projekt jedoch mit Verlust, trägt die Bank auch ihren Anteil daran.
Ähnlich funktioniert es mit Einlagen. Werden schlicht Ersparnisse auf der Bank deponiert, so werden keine Zinsen bezahlt. Die Motivation dafür ist einfach der bessere Schutz vor Diebstahl. Es steht dem Anleger aber auch frei, sein Geld für Projekte zur Verfügung zu stellen. In diesem Fall kann seine Einlage durch positive Ergebnisse wachsen, er nimmt aber gleichzeitig ein Verlustrisiko in Kauf.
Auch wenn die Grenze nicht immer eindeutig zu ziehen ist, zwischen Investitionen mit kalkulierbarem Risiko und Spekulation gibt es trotzdem einen markanten Unterschied. Kaufen Sie selbst Aktien eines soliden, eingeführten Unternehmens, so erwarten Sie üblicherweise keine Spekulationsgewinne, sondern eine Absicherung Ihres Vermögens, angemessene Dividende und im Idealfall einen Anstieg des Kurses. Spekulation wäre, wenn Sie Optionsscheine erwerben, dessen Wert von der Kursentwicklung der zugrundliegenden Papiere innerhalb eines bestimmten Zeitraumes abhängt. Wie weit internationale Banken in Spekulationsgeschäfte involviert sind, darüber haben wir auf The Intelligence schon mehrmals berichtet, u. a. in einem Artikel, der sich mit dem Derivathandel auseinander setzt.
Dass ein Geldinstitut, das in ausgewählte Projekte investiert, anstatt gegen Zinsen Geld zu verleihen, und dem die Beteiligung an spekulativen Geschäften untersagt ist, zwar keinesfalls derart enorme Gewinne erwirtschaften kann wie herkömmliche Banken, entspricht der Logik. Gleichzeitig sinkt aber auch die Anfälligkeit in Zeiten ökonomischer Instabilität, wie der Finanzschock des Jahres 2008 unter Beweis stellte.
Schon im August 2005 berichtete ein Artikel bei Businessweek über die rasant ansteigende Verbreitung des islamischen Bankensystems, nachdem sich dieses während der vorangegangenen Jahre deutlich verbessert hatte. Aufgrund teilweise durchaus günstigerer Angebote, so wird berichtet, gehörte bereits die Hälfte der Kunden nicht der islamischen Glaubensgemeinschaft an. In Tunis ist die Errichtung eines internationalen Finanzzentrums mit Namen Tunis Financial Harbor geplant, durch das 16.000 Arbeitsplätze geschaffen werden sollten. Welche Konsequenzen der dortige Regierungswechsel auf das Projekt ausüben könnte, ist vorläufig noch nicht abzusehen.
Quelle und Dank an: http://www.theintelligence.de/
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