Die Hausgemeinschaft will das Haus kaufen, um es vor dem Zugriff von Investoren zu retten. Foto: Michael Bause
Der Brief vom Kölner Amtsgericht kam Ende Januar,
sein Inhalt war wenig geeignet, die Adressaten zu erfreuen. Ihr Haus in
zentraler Lage in Kalk, hieß es in dem offiziellen Schreiben an die
Bewohner der Robertstraße 12, werde zwangsversteigert. Der Termin sei
auf den 26. März festgesetzt. Seitdem formiert sich unter den 14
Bewohnern der Widerstand.
Denn deren Beziehungen
untereinander gehen weit über das sonst übliche nachbarschaftliche
Verhältnis hinaus. „In den letzten Jahren sind wir nicht nur zu einer
Hausgemeinschaft zusammengewachsen, wir sind auch alle untereinander
befreundet. Wir leben auf vier Etagen wie in einer WG und wir wollen
hier wohnen bleiben,“, sagt Johannes Schmitt, der wie seine Mitstreiter
befürchtet, dass ein Verkauf des Hauses auch das Ende ihres langjährigen
Zusammenlebens bedeutet. Die Bewohner haben deshalb einen Entschluss
gefasst: Sie wollen bei der Zwangsversteigerung mitbieten und das Haus
selbst kaufen. Das Besondere dabei: Mit Hilfe eines speziellen
Vertragskonstrukts wollen sie sich verpflichten, das Haus später nicht
mehr gewinnbringend zu veräußern. Es würde damit, so der Plan, dauerhaft
dem Immobilienmarkt entzogen.
„R12“ haben sie ihr
Hausprojekt, in Anlehnung an die Adresse, genannt. Es ist der Versuch,
der Entwicklung auf dem unter Druck geratenen Kölner Wohnungsmarkt etwas
entgegenzusetzen und billigen Wohnraum zu erhalten. Denn dass
Alteingesessene durch steigende Mieten aus ihren Vierteln verdrängt
werden, wird zunehmend zum Problem. Die Koalition in Berlin verhandelt
derzeit über eine Mietpreisbremse, die Landesregierung NRW prüft, ob
Städte Luxussanierungen und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen
in begehrten Gegenden künftig verbieten können. Und die Stadtverwaltung
in Köln bereitet eine Wohnraumschutzsatzung vor. Bereits im vergangenen
Sommer hat sich in Köln die Initiative „Recht auf Stadt“ gegründet, die
mit ihrer Aktion „Alle für Kalle“ erst kürzlich für Aufsehen sorgte.
Jahrelange Eigeninitiative der Mieter
Christiane
Niesel wohnt seit 13 Jahren in der Robertstraße 12 und erinnert sich
noch an die Zeit, als es für jedes Zimmer Einzelmietverträge gab. „Bad
und Küche gab es nicht, die Dusche war im Zimmer eingebaut“, sagt die
46-Jährige. Dann ergriffen die Bewohner die Initiative, schlossen sich
zu einer WG zusammen, bauten in ein Zimmer ein Bad ein, funktionierten
ein anderes zu einer Gemeinschaftsküche um. Die Kosten trugen sie selbst
und minderten dafür die Miete. Es folgten weitere
Instandhaltungsarbeiten. „Wir haben das Dach geflickt, wenn es rein
regnete, einen Hauptsicherungsschalter legen lassen, kaputte Leitungen
repariert und den Schornsteinfeger bezahlt“, zählt Johannes Schmitt auf.
Die Vermieter hätten sich um nichts gekümmert. „Ohne uns wäre das Haus
heute abrissreif.“
Die Hausgemeinschaft der Robertstraße 12: Johannes Schmitt, Ben Rei und Jenny Bertram
Foto: Michael Bause
Foto: Michael Bause
Unglücklich waren die Hausbewohner, anders als
man vermuten könnte, über diesen Umstand nicht. „Die Vermieter haben die
Verantwortung für das Haus praktisch an uns übergeben und wir sind
darüber zu einer Gemeinschaft zusammen gewachsen“, sagt Jenny Bertram,
die seit fünf Jahren dabei ist. Doch nun sehen sie ihr
selbstverwaltetes, für einen künftigen Eigentümer aber womöglich
inkompatibles Wohn-Modell in Gefahr. Die jetzigen Vermieter, eine
Erbengemeinschaft, haben ihnen signalisiert, dass es mehrere
Kaufinteressenten gebe.
Zuversicht in der Robertstraße
305.000
Euro ist das Mindestgebot beim Versteigerungstermin Ende März, zehn
Prozent müssen direkt hinterlegt werden, um mitbieten zu können. Eine
erhebliche Summe, doch die Bewohner der Robertstraße sind
zuversichtlich, dass sie die Finanzierung hinbekommen, vorausgesetzt,
die anderen Bieter treiben den Preis nicht zu hoch. Denn mit ihrer
Initiative stehen sie nicht allein: Es gibt ein Netzwerk, das Gruppen
wie der „R12“ hilft. Das 1992 in Freiburg gegründete „Mietshäuser
Syndikat“ hat bundesweit bereits an rund 80 selbstverwalteten
Hausprojekten mitgewirkt, 32 stehen in Warteposition. Über die Jahre ist
so ein umfangreiches Know-how entstanden, das das Netzwerk an neue
Projekte weitergibt. Das Syndikat bietet seinen Mitgliedern Beratungen
in Vertrags- und Finanzierungsfragen an und es verfügt über Kontakte zu
Banken als möglichen Kreditgebern (siehe „Start in Freiburg“). Die
Ehrenfelder Hausgemeinschaft „3Lessi3“, benannt nach ihrer Adresse
Lessingstraße 33, ist bereits seit 2007 ein Syndikats-Projekt und berät
die Kalker Gruppe zurzeit. „Ein solches Projekt ist anspruchsvoll und
viel Arbeit, weil man alles selbst regeln muss, von der Buchhaltung,
über die Finanzierung bis zur Vereinsgründung und Bauplanung“, sagt
Gesine Schütt von 3Lessi3. „Aber es ist machbar.“ Zumindest die
Bietersumme haben die Bewohner der Robertstraße schon beisammen.
Innerhalb von drei Wochen sammelten sie bei Freunden, Familien und
Sympathisanten Privatkredite
in Höhe von mehr als 30 000 Euro ein.
Start in Freiburg
Das Mietshäuser Syndikat
entstand im Jahr 1992 in Freiburg aus einem Wohnprojekt heraus. Es ist
eine Art Genossenschaft, aber auf anderer Rechtsgrundlage. Für jedes
Mitgliedshaus wird eine GmbH gegründet.
Gesellschafter
sind zu 50 Prozent die Bewohner über einen Hausverein. Die andere
Hälfte übernimmt eine Dachgesellschaft, die „Syndikats-GmbH“. Deren
Gesellschafter ist wiederum ein Verein, in dem alle Hausvereine
Mitglieder sind.
Per Statut ist festgelegt,
dass die Vereine der Bewohner über fast alle Angelegenheiten allein
entscheiden – mit einer Ausnahme: Verkaufen dürfen sie nur, wenn auch
das Syndikat zustimmt. Dieses bräuchte dazu jedoch die Zustimmung der
anderen Mitglieder, darum ist der Verkauf praktisch ausgeschlossen.
(jac)
Quelle und Dank an: http://www.ksta.de
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