Wladimir Putins Russland lässt
die US-Kampagne »gegen den ISIS« in Syrien schlecht aussehen, weil es in
vier Monaten dem Vormarsch der Terroristen in diesem Land mehr Schaden
zufügen konnte als das Pentagon mit seinen verdächtig unwirksamen
Maßnahmen in 14 Monaten.
Doch jetzt versetzt Russland der Herrschaft der
US-Agrarindustrie auch noch über den Welthandel mit Nahrungsmitteln
eine gewaltige Ohrfeige. Es geht um die Entscheidung, Russland zum
weltweit größten Exporteur von gesunder, nicht genmanipulierter und
nicht industriell gefertigter Nahrung zu machen.
Wie
die meisten positiven Entwicklungen in Russland, ignorierten die
westlichen Medien auch die jährliche Ansprache des Präsidenten vor der
Bundesversammlung am 3. Dezember. In seinen dortigen Ausführungen
kündigte Putin als nationales Ziel an, dass Russland hinsichtlich seiner
Nahrungsmittelversorgung binnen vier Jahren autark sein werde.
Einer der am wenigsten kommentierten
Bereiche der russischen Wirtschaft, insbesondere seitens oberflächlicher
westlicher Ökonomen, die Russland nur als ein von Öl- und Gasexporten
abhängiges Land darstellen, ist die bedeutende Veränderung, die sich in
der russischen Landwirtschaft vollzieht.
Heute, weniger als eineinhalb Jahre nach
der Entscheidung, als Vergeltung für die törichten EU-Sanktionen gegen
Russland bedeutendere Agrarexporte aus der EU nach Russland zu
verbieten, erlebt die landwirtschaftliche Produktion in Russland eine
bemerkenswerte Wiedergeburt – in einigen Fällen sogar erst ihre Geburt.
Ausgedrückt in US-Dollar-Werten übersteigen die russischen Exporte
landwirtschaftlicher Erzeugnisse diejenigen von Waffen und bringen ein
Drittel der Einnahmen aus dem Erdgasexport ein. Das ist an sich schon
interessant.
Präsident Putin teilte den versammelten
Mitgliedern des Parlaments in seiner Dezemberrede, einer Art Überblick
zur Lage der Russischen Nation, Folgendes mit:
»Unsere Landwirtschaft gibt ein positives Vorbild ab. Noch vor zehn Jahren haben wir fast die Hälfte unserer Nahrungsmittel eingeführt und hingen kritisch von ihren Importen ab, während Russland inzwischen dem Club der Exporteure beigetreten ist. Im vergangenen Jahr beliefen sich Russlands Agrarexporte auf fast 20 Milliarden US-Dollar. Dies ist ein Viertel mehr als unsere Einnahmen aus den Waffenverkäufen oder etwa ein Drittel unserer Gewinne aus den Erdgasexporten. Unsere Landwirtschaft hat diesen Sprung in einer kurzen, aber produktiven Zeitspanne getätigt. Großen Dank an unsere Bewohner auf dem Lande.
Ich denke, wir sollten uns das nationale Ziel setzen, bis 2020 den Binnenmarkt vollständig mit im Land erzeugten Lebensmitteln zu versorgen. Wir sind in der Lage, uns aus unserem eigenen Land zu ernähren. Noch wichtiger ist, wir haben dazu die Wasserressourcen. Russland kann einer der weltweit größten Anbieter von gesunden, ökologisch reinen Qualitätslebensmitteln werden, dies umso mehr, weil einige westliche Unternehmen schon lange damit aufgehört haben, solche zu produzieren, und weil die weltweite Nachfrage nach solchen Erzeugnissen weiter zunimmt.«
Als weiteren Schritt forderte Putin die
Duma auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Millionen Hektar brachliegendes
Ackerland zu bewirtschaften.
»Es ist notwendig, Millionen von Hektar Ackerland, die jetzt brachliegen, zum Einsatz zu bringen. Sie gehören Großgrundbesitzern, von denen viele wenig Interesse an der Landwirtschaft zeigen. Wie viele Jahre haben wir darüber geredet? Aber nichts ist vorangekommen. Ich schlage vor, nicht genutzte Agrarflächen fragwürdigen Eigentümern abzuerkennen und sie auf einer Auktion an solche zu verkaufen, die das Land bearbeiten wollen und können.«
Veränderungen in der Landwirtschaft
Seit Beginn der ersten Präsidentschaft
Wladimir Putins im Jahr 2000 hat Russland angefangen, seine
landwirtschaftliche Produktion umzustellen. Während der katastrophalen
1990er-Jahre unter Präsident Boris Jelzin musste Russland zu einem hohen
Grad Nahrungsmittel einführen. Das war zum Teil auf eine unangebrachte
Überzeugung zurückzuführen, dass alles »Made in America« oder alles im
Westen besser wäre.
Russland importierte geschmackloses, in
US-Agrarfabriken hergestelltes Geflügel, statt seine höchst
schmackhaften, natürlichen, frei laufenden Hühner zu vermarkten. Das
Land importierte künstlich gefärbte, geschmacklose Tomaten aus Spanien
oder Holland anstelle seiner leckeren, saftigen, selbst erzeugten
Bio-Tomaten. Ich weiß das; ich habe beides gehabt. Es gibt keinen Vergleich:
Die organischen, russischen Nahrungsmittel übertrumpfen die westlichen
unlauteren, verfälschten Industrieprodukte, die heute fälschlicherweise
als Nahrungsmittel ausgegeben werden.
Man hatte in der Ära Jelzin nicht
verstanden, dass die Lebensmittelqualität entsprechender westlicher
Importe seit Einführung des amerikanischen »Agrobusiness« und der
Nahrungsfabrikation in den 1970er-Jahren drastisch abgenommen hat. Die
EU zog nach und ahmte die industriellen Verfahren der USA nach, nur ein
bisschen weniger radikal. Ferner hat der intensive Einsatz von
chemischen Düngemitteln, Herbiziden, Pestiziden, Antibiotika, die über
die Tiere in die Felder gelangten, insgesamt zur dramatischen Verarmung
der amerikanischen und zunehmend auch der landwirtschaftlichen Böden in
der EU an essenziellen Mikroorganismen geführt. Das bewahrheitete sich
laut gut unterrichteten Landwirten auch in China.
In den Vereinigten Staaten hat der
Kongress Ende 2015 ein lange gültiges Gesetz zur Fleischkennzeichnung
aufgehoben, das Country-of-Origin Labeling Law (COOL,
Herkunftsland-Auszeichnungsgesetz). Es verpflichtete die Einzelhändler,
bei rotem Fleisch ausdrücklich das Herkunftsland zu kennzeichnen.
Abgepacktes Rind- und Schweinefleisch braucht in den USA nun kein
Etikett mehr zu tragen, das besagt, woher das Tier ursprünglich stammt.
Die Lobby der US-Agrarindustrie trat für
diese Änderung ein, um Fleisch zweifelhafter Qualität aus den
Entwicklungsländern, in denen die Gesundheits- und Sicherheitskontrollen
sowie die Erzeugerkosten minimal sind, importieren zu dürfen. In vielen
US-Staaten, in denen die Agrarindustrie riesige Zuchtbetriebe,
sogenannte »Ag-gag«, betreibt, verbieten Landesgesetze den Journalisten
sogar, in solchen industriellen, landwirtschaftlichen Betrieben, oft
großen Milch-, Geflügel- und Schweinezuchtbetrieben, zu fotografieren.
Das ist so, weil die Menschen massenhaft zu Vegetariern würden, wenn
ihnen bewusst würde, was dort geschieht, um in den USA Fleisch auf den
Tisch zu bekommen.
Vom Nettoimporteur zum Exporteur
Während der Sowjetzeit, insbesondere
nach 1972, als sowjetische Missernten für Engpässe sorgten, verwendete
die UdSSR ihre Öleinnahmen, um ein bedeutender Importeur von US-Weizen
und -Getreide zu werden. Das US-Getreidekartell, Unternehmen wie Cargill
und Continental Grain, arbeitete mit US-Außenminister Henry Kissinger
zusammen, um astronomische Preise für Russland auszuhandeln. Das wurde
damals »der große Getreideraub«
genannt. Die US-Steuerzahler wurden durch die US-Getreidesubventionen
ausgeraubt, und Cargill hatte auf dem Weg zur Bank gut lachen.
Um das Jahr 2000 kehrte Russland
zusammen mit der Ukraine – und in geringerem Maße mit Kasachstan – diese
Importabhängigkeit bei Getreide um und wurde wieder der Exportriese für
Getreide, insbesondere für Weizen in der Welt, wie er es vor der
Russischen Revolution von 1917 einmal gewesen war.
Schon vor der Krise infolge der
US-Sanktionen, in den Jahren 2011 bis 2013, exportierte Russland im
Durchschnitt 23 Millionen Tonnen (mmt) Getreide pro Jahr. Zusammen
verkauften Russland, die Ukraine und Kasachstan 57 mmt Getreide ins
Ausland. Die drei Länder stellten als eine Region in diesem Zeitraum 19
Prozent der gesamten Weltgetreideexporte und 21 Prozent der
Weizenexporte und verdrängten die Vereinigten Staaten als den weltweit größten Weizenexporteur.
Da jetzt die Ukraine aufgrund des von
der Regierung Obama im Februar 2014 in Kiew durchgeführten
Staatsstreichs de facto ein gescheiterter Staat ist, bekommt die
russische Landwirtschaft für die Welt in Bezug auf qualitativ
hochwertige Bio-Lebensmittel und Getreide eine strategische Bedeutung.
Rückblickend war das russische
Einfuhrverbot von 2014 für ausgewählte Lebensmittel aus der EU ein
wichtiger Wendepunkt. Es hat eine Krise in eine Chance verwandelt, wie
ein altes chinesisches Sprichwort lautet. Von Russlands Agrar- und
Nahrungsmittelimporten im Wert von insgesamt 39 Milliarden Dollar des
Jahres 2013 fielen 23,5 Milliarden Dollar, also 61 Prozent aller
Lebensmittelimporte Russlands, in die Produktkategorien, die von dem
Verbot betroffen waren.
Die kürzlich hinzugekommene
Entscheidung, alle türkischen Lebensmittelimporte als Vergeltung für den
türkischen Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs im syrischen
Luftraum zu verbieten, trägt zu diesem gesamten Einfuhrverbot bei. Das
Einfuhrverbot für Nahrungsmittel aus der Türkei trat am 1. Januar 2016
in Kraft.
Während viele westliche Ökonomen auf die
ursprünglichen großen inflationären Auswirkungen des Verbots im letzten
Jahr verwiesen – ein Faktor, der die russische Zentralbank veranlasste,
die Zinsen zu lange gefährlich hoch zu halten –, ist die längerfristige
Realität die, dass das Verbot eine dramatische Wende in der
landwirtschaftlichen Selbstversorgung erzwungen hat. In dem Maße, in dem
die teureren, importierten Lebensmittel in ganz Russland aus den
Regalen der Supermärkte verschwinden, wird das auch mit der
ursprünglichen Preisinflation für Lebensmittel von Anfang 2015 der Fall
sein.
Der
jüngste Rubeleinbruch wird den Verbrauch der noch verbliebenen, teurer
gewordenen Lebensmittelimporte aus der EU zugunsten »lokal
hergestellter« Nahrungsmittel weiter verdrängen. Weit von einer
Katastrophe entfernt, wie sie die New York Times und andere
westliche Medien genüsslich ankündigen, wird der neueste Rubeleinbruch
sich in einen Vorteil für die russische Landwirtschaft und sogar für die
Gesamtwirtschaft umkehren. Das wird die Selbstversorgungsziele deutlich voranbringen.
Russlands Einfuhrbeschränkungen für
Lebensmittel werden in absehbarer Zeit wahrscheinlich nicht aufgehoben,
selbst wenn die EU ihre Sanktionen gegen Russland fallenließe. Mit der
Entwicklung einer hochwertigen, organischen, nicht genveränderten
Landwirtschaft steht für die nationale Wirtschaft viel zu viel auf dem
Spiel.
Neben Russlands Entscheidung, in der Landwirtschaft bis 2020 eine Selbstversorgung zu erlangen, schuf das offizielle russische Anbauverbot vom September 2015 für alle genveränderten Organismen die Voraussetzung für die neueste Entscheidung des Präsidenten, aus der Not eine Tugend zu machen.
Die schöne russische Schwarzerde
Russland hat noch einen
außergewöhnlichen, natürlichen Vorteil, um zum weltweit wichtigsten
Produzenten und Exporteur hochwertiger, organischer und nicht
genveränderter Lebensmittel zu werden.
Russland besitzt einige der reichsten
und fruchtbarsten Böden der Welt. Da während des Kalten Krieges
wirtschaftliche Einschränkungen vorgeschrieben hatten, die Produkte der
chemischen Industrie den nationalen Verteidigungszwecken vorzubehalten,
wurden die fruchtbaren russischen Böden nicht wie die im Westen
jahrzehntelang der Zerstörung durch chemische Düngemittel oder
Pflanzenspritzmittel ausgesetzt.
Das erweist sich jetzt als ein
verborgener Segen, da die Landwirte in der EU und Nordamerika nun gegen
die verheerenden Auswirkungen der Chemikalien in ihren Böden, die in
großem Umfang lebenswichtige Mikroorganismen zerstören, anzukämpfen
haben. Reiche landwirtschaftliche Böden brauchen, um sich zu bilden,
lange Jahre und können in kürzester Zeit zerstört werden. Bei einem
feuchten und warmen Klima dauert es Jahrtausende, bis sich wenige
Zentimeter Humusboden gebildet haben. In kalten trockenen Klimazonen
dauert es noch viel länger.
Russland besitzt eine von nur zwei
Landstrecken der Welt, die als »Schwarzerde-Gürtel« bekannt sind. Sie
erstreckt sich von Südrussland bis nach Sibirien über Kursk, Lipezk,
Tambow und Woronesch Oblasts. Chernozem, das russische Wort für
»schwarze Erde«, sind schwarzfarbige Böden mit einem hohen Anteil an
Humus, Phosphorsäure, Phosphor und Stickstoff. Schwarzerde ist ein sehr
fruchtbarer Boden zur Erzeugung eines hohen landwirtschaftlichen
Ertrags. Der russische Schwarzerde-Gürtel erstreckt sich von Sibirien
und dem Süden Russlands bis in den Nordosten der Ukraine und weiter der
Donau entlang bis in den Balkan.
Erste sehr positive Ergebnisse
Erste Ergebnisse aufgrund des auf die
landwirtschaftliche Selbstversorgung Russlands gelegten Schwerpunkts und
der Gesamtentwicklung erweisen sich als durchaus positiv. Seit im
August 2014 die Lebensmitteleinfuhr aus der EU verboten wurde, hat die
Produktion von Rindfleisch und Kartoffeln um 25 Prozent zugenommen; bei
Schweinefleisch waren es 18 Prozent, bei Käse und Quark 15 Prozent, bei
Geflügelfleisch elf Prozent und bei Butter sechs Prozent. Die
Gemüseernte in Russland von 2015 war mit einem Ertragszuwachs von
insgesamt drei Prozent ebenfalls ein Rekord.
Die törichten Sanktionen der USA und ihr
Wirtschaftskrieg gegen Russland lösten das Gegenteil von dem aus, was
die globalistischen Freihandelsbefürworter verlangt haben.
Sie zwingen Russland, sich mit Bedacht
von den Vereinbarungen der Welthandelsorganisation (WTO), die die
Agrarindustrie skizziert hatte, abzuwenden. Cargill hatte das
WTO-Agrarabkommen verfasst.
Es zwingt Russland, den liberalen
westlichen freien Zustrom internationaler Nahrungsmittel abzubrechen.
Die Forderung nach einer nationalen Selbstversorgung bei einem der
strategisch wichtigen, wenn nicht dem wichtigsten aller Wirtschaftsgüter
ist die nach einer qualitativen Lebensmittelversorgung des Landes.
Russland hat mit Bedacht beschlossen, der Selbstversorgung und Qualität
den Vorrang vor den »Rechten« von Cargill, ADM oder Monsanto auf freien
Handel einzuräumen. Russlands Agrarrevolution bietet der übrigen Welt
ein beachtenswertes Beispiel. Dabei geht Qualität vor Quantität.
Hochwertige Ernährung betrifft mehr als nur Hektarerträge.
Quelle und Dank an: F. William Engdahl und http://info.kopp-verlag.de und http://brd-schwindel.org
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