Für die Legalisierung von Cannabis
Die Alkoholprohibition in Amerika wurde 1933 nach 14 Jahren aufgeben, weil ihre Nebenwirkungen weitaus schädlicher waren als der Alkohol selbst - aus kleinen Gangsterbanden mit italienischem, irischem und jüdischem Migrationshintergrund waren milliardenschwere Konzernsyndikate geworden, die mit Korruption und Gewalt schon ganze Städte und Landkreise unterwandert hatten.
Mittlerweile ist es wieder so weit: In Mexiko, dem Transitland für den Drogenschmuggel in die USA, sind durch Bandenkriege in den letzten Jahren über 40 000 Menschen ums Leben gekommen.
Bild: public domain |
Auch dies einer der Gründe, warum zwar noch nicht die
Regierung, aber die Bürger der USA in Volksabstimmungen für die
Cannabislegalisierung gesorgt haben - und damit für den Anfang vom Ende
jenes Prohibitionsapparats, der sich nach dem Scheitern der
Alkoholverfolgung den Hanf als Ersatzfeind vorgenommen hatte.
Dass er im
Mutterland der Hanfdämonisierung jetzt als Papiertiger
entlarvt wird, dass die Bürgerinnen und Bürger parteiübergreifend nicht
mehr auf die Horrorpropaganda der Prohibitionisten hereinfallen, dass
das Wissen über die segensreiche
Wirkung des Heilmittels und die vergleichsweise ungefährlichen
Nebenwirkungen des Genussmittels Hanf sich durchgesetzt haben, dass
nüchterne Kosten-Nutzen-Rechner an die Stelle eifernder Glaubenskrieger
treten und realpolitischer Verstand die brachiale Durchsetzung
fundamentalistischer
Dogmen ablöst - diese Erkenntnisse und Fakten werden auch Deutschland
und Europa nicht ignorieren können.
Selbst wenn die Priesterschaft der Prohibition versuchen
wird, ihre Ineffizienz und Inkompetenz mit neuen Horrorstorys zu
kompensieren, und sich der wohlbestallte und beamtete Repressionsapparat
nur unwillig Reformen und Transformationen unterzieht: Die Katze ist
aus dem Sack, Aufklärung und allgemeines Wissen über Cannabis haben die
Höllenmärchen der Inquisition erledigt, und dieses Rad
lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Und selbst diejenigen, die immer
noch glauben, dass Cannabis zum Wahnsinn führt oder zu Gehirnschäden
oder zu härteren Drogen und zu Sucht und Ruin, müssen einsehen, dass die
Prohibition der falsche Weg ist, diesen Gefahren zu begegnen.
Als ich vor 40 Jahren zum Studium nach Westberlin
gekommen war und Pink Floyd zum Konzert in der Deutschlandhalle
angekündigt wurde, fragte ich meine Kommilitonen, wo man denn in der
Stadt etwas Haschisch kaufen könnte. "Wish You Were Here" bei einem
Joint live zu erleben, stellte ich mir großartig vor. Was es dann auch
war, doch zuvor wurde ich zum Denkmal des Turnvaters Jahn in
die Kreuzberger Hasenheide geschickt, wo ich für 20 Mark etwa 2 Gramm
afghanisches Haschisch kaufte.
Obwohl die Polizei mittlerweile abertausende Razzien
veranstaltet hat und im Park permanent auf Streife ist, können Sie noch
heute dort unter den Augen des Vorturners der Nation für 20 Euro etwa 2
Gramm Cannabis kaufen. Seit die Bundeswehr in Afghanistan die größte
Opium- und Heroinproduktion aller Zeiten bewacht (weil unsere alliierten
Warlords damit finanziert werden, mehr dazu in meinem Buch "Die
Drogenlüge", 2010), soll sogar "schwarzer Afghane", der fast
völlig vom Markt verschwunden war, gelegentlich wieder erhältlich sein.
Vier Jahrzehnte Prohibition, Millionen von
Strafverfahren und tausende Jahre Haftstrafen haben an der Situation
nichts geändert - bis auf die Tatsache, dass wegen der steigenden
Nachfrage noch eine zweite "Filiale" im nahegelegenen Görlitzer Park
entstanden ist. Ich wohne nur ein paar Schritte vom "Görli" entfernt.
Der türkische Club, der dort seinen Platz hat, war der erste
Fußballverein meines Sohns, und jetzt gehe ich mit meinen Enkeln dort
über den Kinderbauernhof spazieren. Seit etwa zehn Jahren wird im Görli
Cannabis verkauft, meist von jungen afrikanischen Männern, die in
Gruppen an den Parkeingängen stehen. Etwa jeden zweiten Tag macht die
Polizei hier eine Razzia, beschlagnahmt ein paar Tütchen Gras und nimmt
einige der Dealer mit. Doch kaum ist die Luft rein, stehen sie schon
wieder da.
Weil das seit zehn Jahren so geht und offensichtlich
nicht abzustellen ist - wie auch, wo der Prohibitionsapparat nicht
einmal in der Lage ist, seine eigenen Gefängnisse drogenfrei zu halten
-, will die grüne Bezirksregierung vom Bundesamt für Arzneimittel jetzt
eine Sondergenehmigung zur Eröffnung einer regulären Verkaufsstelle
erhalten. Der SPD/CDU-geführte Senat Berlins lehnt derlei
Lösungsvorschläge ebenso brüsk ab wie die Bundesregierung. Und ich als
Anwohner habe ebenfalls Bedenken, wenn auch nicht drogenpolitischer,
sondern ganz eigennütziger Art: Auf die Massen, die
eine solche Attraktion in den bei schönem Wetter ohnehin schon vollen
Park zieht, möchte ich gern verzichten. Dennoch wäre ein Coffeeshop oder
Cannabisclub in Kreuzberg absolut sinnvoll. Und wenn in Mitte,
Tiergarten, Prenzlauer Berg und den anderen Bezirken und deutschen
Städten ebenfalls ein Coffeeshop oder Cannabisclub eröffnen kann, wäre
ich mit einer Premiere im "Görli" sogar einverstanden.
Um ihn auch
meinen Enkeln zu zeigen und zu erklären, was Cannabis ist, so wie ich es
mit den Kindern als Teenies getan habe, als wir in Amsterdam einen
Coffeeshop besuchten, einen Kakao tranken und ich für 10 Gulden
Marihuana kaufte. Ohne Prohibition die normalste Sache der Welt wie eine
Bierkneipe, Weinstube oder eine Cocktailbar - in die ja auch niemand
muss. Aber es steht jedem frei. Die meisten, die dort hingehen, können
mit Bier, Wein und Schnaps umgehen, wenige können es nicht, denen muss
man helfen, doch den allermeisten gelingt es, ihr Maß und ihr Limit zu
finden - und ihr Vergnügen damit zu haben, sich "zu betäuben, ohne zu
schlafen".
"Es ist eine Forderung der Natur, dass der Mensch
mitunter betäubt werde, ohne zu schlafen", schrieb der Dichter und
Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe, und dieser natürlichen
Forderung kommen die Genuss- und Rauschmittel nach:
der Kaffee, der uns
die Müdigkeit aus
den Gliedern treibt, das Bier, das den Durst löscht, anregt und
entspannt, der Wein, der uns "selig" macht, und der Hanf, der
körperliche und geistige Verkrampfungen löst und uns "high" werden
lässt. Auf natürliche Weise, mit den Molekülen und Wirkstoffen, die die
Pflanze uns bereitstellt und die auch unser Körper selbst produziert.
Dies mit Strafgesetzen zu verbieten und Krieg gegen eine Pflanze und
ihre Benutzer zu führen ist insofern nichts anderes als ein Krieg gegen
etwas zutiefst Menschliches, gegen unsere eigenen Säfte und Kräfte, ein
Krieg wider die Natur.
Und dies ist auch der eigentliche Grund, warum die
Prohibition, wie wir gesehen haben, nicht funktioniert und nie
funktionieren wird, selbst wenn wir das Doppelte und Dreifache in ihren
Apparat investieren: Sie läuft dem natürlichen Bedürfnis des Menschen,
sich gelegentlich "zu betäuben, ohne zu
schlafen" zuwider. Und sie gründet auf einer utopischen Wahnidee: mit
Gewalt eine Welt ohne Betäubungsmittel schaffen zu können.
Dieser gefährliche Wahnsinn muss beendet werden, denn
mit Krieg ist die Weltmacht Droge nicht zu beseitigen, die Gesellschaft
muss ihre Existenz auf diesem Planeten akzeptieren und Frieden damit
schließen. So wie sie Frieden mit der Sexualität geschlossen hat, über
die zu reden ein Tabu war und über die heute selbstverständlich an
Schulen aufgeklärt wird; so wie sie als "Kuppelei" strafbare
Wohnungsvermietung an unverheiratete Paare legalisiert hat oder die
erotischen Gefühle gleichgeschlechtlicher Partner, die lange
kriminalisiert waren, so wie sie die Rechte von Kindern stärkte, die
nicht mehr legal verprügelt werden dürfen, oder die Rechte der Frauen,
die von ihrem Ehemann nicht mehr straflos vergewaltigt werden dürfen.
Heute alles Selbstverständlichkeiten
zivilisierter, liberaler Gesellschaften, die aber vor gar nicht langer
Zeit als Tabus galten, deren Verletzung strafrechtlich verfolgt
beziehungsweise (was die Erniedrigung
von Kindern und Frauen betrifft) ignoriert wurde.
Möglich wurden diese Entwicklungen dadurch, dass
Aufklärung und Wissensvermittlung die traditionellen, rechtlich
verankerten Glaubensartikel - von der Zweitrangigkeit der Frau, der
Minderwertigkeit von Kindern, der Krankhaftigkeit Homosexueller oder der
Unsittlichkeit
unverheirateter Sexualpartner - ersetzten und der Staat sich deshalb
versagen musste, in das Privatleben seiner Bürger mit dem Strafrecht
einzugreifen.
Die Ablösung einer solchen rechtlich verankerten
Tradition steht jetzt auch für das Betäubungsmittelgesetz an:
Das Dogma,
durch Kriminalisierung des Drogenkonsums eine
drogenfreie Welt schaffen zu können, ist empirisch widerlegt, und damit
muss auch das Tabu weichen, das die Existenz von Drogen und
Drogenkonsumenten nicht als Normalität akzeptieren will. Die knapp 40
Prozent aller Deutschen, die mindestens einmal Cannabis konsumierten,
und die
7 Prozent, die es gelegentlich oder regelmäßig tun, sind keine
Kriminellen, genauso wenig wie die Millionen, die Alkohol konsumieren
oder täglich legale oder illegale Pharmazeutika verwenden.
Solange sie
niemand anderem damit schaden, hat der Staat kein Recht, sie mit
Strafgesetzen
zu verfolgen. Und die Legalisierung von Cannabis, der nützlichsten
Pflanze dieser Erde, kann hier tatsächlich einmal als "Einstiegsdroge"
fungieren: für den Einstieg in eine Wende der Drogenpolitik und das Ende
der ebenso unmenschlichen wie ineffizienten und destruktiven Ära der
Prohibition.
Das Kapitel wurde dem gerade von Mathias Bröckers im Westend Verlag erschienenen Buch "Keine Angst vor Hanf!" entnommen (96 Seiten, 9,99 Euro).
Mathias Bröckers zeigt darin, dass es ein
Irrglaube ist, mit Hilfe von Strafrecht, Polizei und Gefängnis eine
drogenfreie Gesellschaft schaffen zu können. Und er betrachtet auch die
medizinischen Eigenschaften der Hanfpflanze, deren Einsatz nach jüngsten
Forschungen zu erstaunlichen Ergebnissen führt.
Quelle und Dank an: www.heise.de/tp/artikel/42/42234/1.html
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