Gescheitert – Gescheiter: Mit Fehlerkompetenz zum Erfolg?
Alle machen wir sie. Für die einen werden wir getröstet, bewundert, befördert, mit Boni zugeschüttet, für andere gerügt, gedemütigt, gekündigt. Manche führen in Konkurs, andere zur Innovation. Veronika Victoria Lamprecht über „Fehler“ und welchen Nutzen sie haben
In einer Welt, die sich wandeln soll und darf, ist es wichtig über Fehler und Scheitern zu reden – um einen Ausgleich zum Perfektionismus, Größenwahn und der Selbstüberschätzung zu schaffen. Es braucht ehrliches Hinschauen, wahrnehmen, aufdecken und verändern, was den Wandel blockiert.
Was ist ein Fehler?
Was ist ein Fehler und wer definiert ihn? Schon bei den Antworten auf dieser Frage zeigt sich, dass es „einen Fehler“ nicht gibt. Sondern eher Ereignisse, Verhaltensweisen, die zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Auswirkung haben. Nur in einem linearen Weltverständnis ist ein Ereignis „richtig“ oder „falsch“. In einem nichtlinearen, zyklischen Zeitverständnis gibt es „sowohl als auch.“ Vielfalt, Wechselwirkung und Evolution sind die Hauptkräfte. Welche Vielfalt, welche Wechselwirkung wirkt sich wie auf Unternehmen, auf die Menschen aus? Welcher Evolutionsschritt will sich daraus gestalten? Fehler in diesem Sinne gibt es demnach nicht. Dafür ein erhöhtes Maß an Veränderungsbereitschaft.
Resilienzforschung
Wir wissen immer weniger, was morgen sein wird. Die „Schatten der Zukunft“ werden kürzer. Somit ist es wichtig auf mehrere Zukunftsszenarien vorbereitet zu sein. Das heißt, nicht mehr alles bis ins Detail zu planen, sondern sich als Unternehmen zu überlegen, wie kann ich, egal was kommt, handlungsfähig bleiben, weiterhin selber Entscheidungen treffen und gestalten. Damit wir Unbekanntem gewachsen sind.
Aus diesem Bedürfnis hat sich die Resilienzforschung entwickelt, die Dr. Harald Katzmair, GF FAS.research, seit 15 Jahren für Unternehmen und Systeme erforscht und heuer erstmals mit einem Kongress mit der Industriellenvereinigung an die Öffentlichkeit brachte.
Der Unterschied zwischen Resilienz und Robustheit ist bedeutend: „Resilienz ist das Vermögen, zu WERDEN (auch unter schwierigen Umständen). Robustheit heißt, ich bleibe gleich, im Sinne von Härte. Ein System, das nicht WERDEN kann, nicht mehr entwicklungsfähig ist, stirbt den Kältetod.“
Die Erkenntnisse aus der Ökosystemforschung waren Vorbild genauso wie Schumpeters „Konzept der kreativen Zerstörung“. Wie ist es möglich, dass aus einer Totalzerstörung wie Überschwemmungen, Waldbrände neue unglaublich resiliente Systeme entstehen? Wie schafft das die Natur? „Weil die Zerstörung die Vorraussetzung ist dafür, dass etwas neu werden kann. Weil Zerstörung ein Teil des Lebenszyklus ist. Das ertragen wir schwer in unserer Kultur, die auf lineare Denk- und Handlungsweise aufbaut,“ meint Katzmair. Es gibt in diesem Sinne keine Fehler, alles ist Teil von einer ständigen Veränderung und Neuwerdung.
Definitionssache
Der Gründer und jahrzehntelange Leiter von Polaroid, Ed Land, der auch die Sofortbildkamera erfand, meint: „Ein Fehler ist ein Ereignis, dessen großer Nutzen sich noch nicht zu deinem Vorteil ausgewirkt hat.“
Unter einem Fehler verstand man lange Zeit die Abweichung von einer Norm. Es waren Kanoniere, die das Wort „Fehler“ in der frühen Neuzeit zuerst verwendeten. Damit meinten sie, dass ihre Kugel ganz woanders einschlug, als sie es beabsichtigten. In dieser Zeit wurde auch die Vorstellung geprägt, dass man Fehler vermeiden kann, wenn man nur klare Regeln und Standards einführt.
Zwischenzeitlich wurde die Definition modifiziert. Die Fehlerdefinition von Martin Weingardt erweitert: „Als Fehler bezeichnet ein Subjekt angesichts einer Alternative jene Variante, die von ihm – bezogen auf einen damit korrelierenden Kontext und ein spezifisches Interesse – als so ungünstig beurteilt wird, dass sie unerwünscht erscheint.“
Martin Schneider, Geschäftsführer Lindpointer Torsysteme, 80 Mitarbeiter/innen: „Ob etwas ein Fehler ist, oder nicht weiß man eigentlich nie so richtig. Manches, das zu Beginn als Fehler scheint, bedingt oft nur den Anreiz es zu verändern und wird dann zum Erfolg. Oft ist auch nur der Zeitraum entscheidend, der zwischen einem Ereignis liegt und der daraus resultierenden Veränderung, ob man denselben Sachverhalt als Fehler oder als Erfolg beurteilt.
Lisa Muhr, Gesellschafterin von Göttin des Glücks, dem ersten österreichischen fair trade und ökologischem Modelabel, 7 Mitarbeiter/innen: „Echte Fehler sind Aktionen, die negative Auswirkungen auf andere Menschen, die Umwelt haben. Dann gibt es Fehler, die nur für einen selber Fehler sind, im Außen nicht als solche wahrgenommen werden. Oft sind wir selber die strengsten Kritiker/innen.“
Dr. Harald Katzmair, Resilienz- und Machtforscher: „Fehler ist die wichtigste Ressource. Ein Fehler produziert und schafft Wissen, um Lernentwicklung zu ermöglichen.“
Die Management-Trainerin und FH-Lektorin Elke M. Schüttelkopf erläutert ihr Fehlerverständnis: „Fehler sind schillernde Ereignisse. Bei näherer Betrachtung merkt man, dass Fehler nicht immer nur negative Ereignisse darstellen. Sie können auch positive Ereignisse sein. Es gibt eben nicht nur gefährliche oder teure oder dumme Fehler, sondern auch kreative und intelligente Fehler. Die Kunst ist es, nicht alle Fehler in einen Topf zu werfen, sondern einen differenzierten Blick zu entwickeln.“
Wenn Fehler soviel Potential haben, woher kommt dann die Angst vor Fehlern?
Angst vor Fehlern
„Zum Thema Fehlerkultur zu forschen erwies sich anfangs als sprödes Thema. Viele Menschen assoziieren mit Fehlern etwas Negatives. Doch mit der näheren Beschäftigung kommt die Faszination,“ sagt Elke M. Schüttelkopf. Die Fehlerkultur-Spezialistin, die ihre zwei Forschungsarbeiten zur „Erfolgsstrategie Fehlerkultur“ im Buch „Fehler . Lernen . Unternehmen“ veröffentlicht hat, begleitet als Beraterin und Trainerin große Unternehmen im gesamten deutschsprachigen Raum und unterstützt sie, die Fehlerkultur ihrer Organisation zu verbessern.
Die Angst vor Fehlern wird ihrer Erfahrung nach durch die negative Fehlerbewertung in der Schule geschürt. In der Schule herrscht vorwiegend eine „Rotstiftkultur“: Aufgezeigt wird, was falsch ist. Schon früh erleben SchülerInnen Versagen und verlieren den Mut. Sie lernen: Es ist besser, sie sagen nichts, als etwas Falsches. Sie wollen kein Risiko eingehen, laufen lieber mit der Masse mit, als dass sie etwas wagen, etwas Neues ausprobieren und damit ein Scheitern riskieren – aber auch (aus Fehlern) lernen. Der Mangel an Entdeckungsfreude, an Neugier und Mut ist es dann, der sie später beruflich weit hinter ihren Potenzialen zurückbleiben lässt. ArbeitgeberInnen vermissen dann bei ihren MitarbeiterInnen den für die weitere Entwicklung notwendigen Unternehmer- und Innovationsgeist.
Klassentreffen nach 20 Jahren bergen oft Überraschungen: da haben die damals frechsten und fehlermutigsten Kolleg/innen die besten Jobs, sind innovative Lebenskünstler/innen und haben IHRES zu einem eigenen Unternehmen gemacht. Daneben wirkt das Berufsleben des/der damals Klassenbesten oft blass. Schul-, Lebens- und Unternehmenserfolg hat zuerst mal mit Selbstbewusstsein zu tun und dann mit Leistung und Engagement. Das ist eine Kulturfrage, eine Frage der Lebenshaltung: Hab ich mehr Angst vor Fehlern oder mehr Mut zum Risiko? „Es gibt repräsentative Untersuchungen zu der Frage, wie konstruktiv in verschiedenen Kulturen und Nationen mit Fehlern umgegangen wird. Unter 61 analysierten Staaten hat es Deutschland auf den vorletzten Platz geschafft“, erklärt Fehlerforscher Michael Frese von der Uni Gießen.
Ob das in Österreich viel anders ist? Wie schaffen es Unternehmen, eine neue Kultur zu schaffen, in der das Potential von Fehlern sich entfalten kann?
Fehl(er)alarm – Mit Fehlerkompetenz zum Erfolg
Es ist Vorschrift, dass Firmengebäude, Hotels, öffentliche Räume Fluchtwegkennzeichnungen samt geprüftem Feuerlöscher an neuralgischen Stellen haben. Sollte Feuer ausbrechen, kann sofort entsprechend reagiert werden.
Wie wäre es, solche Vorkehrungsmaßnahmen auch für andere mögliche „Brandherde, Fehlerquellen“ im Unternehmen zu haben? Maßnahmen zu „üben“, um im Ernstfall, wenn es brennt und etwas schief gelaufen ist, darauf zugreifen zu können?
Elke M. Schüttelkopf rät Unternehmen zu unterschiedlichen Fehlerstrategien: „Dort, wo Fehler gefährlich oder teuer sind, ist es wichtig, sie zu vermeiden. Klassische Beispiele dafür sind sicherheitsrelevante Branchen wie die Luftfahrt oder die Medizin, aber auch die Produktion. Doch dort, wo es sich um intelligente und kreative Fehler handelt, ist es wichtig, sie zuzulassen und mitunter sogar zu fördern. Dort gilt es, den Fehlernutzen abzuschöpfen. Das ist z.B. in der Forschung und Entwicklung wichtig, aber auch in der Ausbildung oder im Marketing.“
Unternehmen, die unterschiedliche Fehlerstrategien beherrschen, sind schneller handlungsfähig, können gezielter reagieren, sind effektiver. Sie erhöhen ihre Zukunftsfähigkeit. Sie gestalten und sind pro-aktiv. Es geht ums kontinuierliche Weiterdenken und Vorausdenken. Das Entwickeln von Fehlerkompetenz gehört in jedes Unternehmen wie Brandmelder und Fluchtwegtafeln.
Fehlerwissen aufbauen
Um Fehlerwissen aufzubauen, ist es wichtig Vorauszudenken, andere Möglichkeiten in Erwägung ziehen, wirkliche Innovationen zu ermöglichen, laufende Prozesse offen zu reflektieren. Es heißt auch zu erkennen, dass manches keinen Sinn mehr macht und neue Wege einzuschlagen.
Ein kritisches In-Frage-Stellen muss erlaubt sein. Dazu braucht es eine Kultur der Wertschätzung, Konfliktfähigkeit und Selbstreflexion. Nur mit konstruktiver Kommunikation gelingt eine bessere Bearbeitung, werden klügere Strategien entwickelt und Vorbereitungen auf Veränderungen getroffen. Psychische Entlastung und Optimismus treten ein, weil gemeinsam nach Lösungen gesucht wird. Unterstützung und Gemeinschaftsgefühl erhöhen die Loyalität dem Unternehmen gegenüber und machen es handlungsstärker.
„Am Beginn meiner Arbeit mit einem Unternehmen steht oft der Wunsch nach erhöhter Fehlervermeidung,“ schildert die Unternehmensberaterin Elke M. Schüttelkopf. „Wir schaffen eine höhere Fehlersensibilität und fördern das Lernen aus den Fehlern. Doch dann wird auch deutlich, dass es in bestimmten Bereichen Fehlerfreundlichkeit braucht. Am Ende ist der Fehler etwas Schillerndes. Fehler werden differenziert beurteilt und entsprechend ihrer Bedeutung unterschiedlich behandelt. Das erweitert den Horizont. Da entsteht Zukunftsfähigkeit…“
Dumme und kluge Fehler
„Jeder Fehler hat einen Erkenntniswert – nämlich den, nachher zu wissen: so geht’s nicht. Das nennt man „negatives Wissen“,“ erläutert Elke M. Schüttelkopf. „Doch der Erkenntniswert sinkt mit jeder Wiederholung. Einen Fehler ein Mal zu machen hat einen gewissen Erkenntniswert. Denselben Fehler jedoch drei Mal zu machen ist einfach nur dumm! Da kommen keine neuen Erkenntnisse dazu. Es zeigt nur, dass aus dem Fehler nichts gelernt wurde und der Fehlernutzen nicht abgeschöpft wurde.“
Joanna Macy, Professorin, Tiefenökologin: „Jedes selbst organisierte System, ob Gemeinde, Planet, eine Nation oder Unternehmen, korrigiert Fehlentwicklungen durch Rückkoppelungen oder Feedback. Wir leben in einer Zeit der Verdrängung, die Feedback blockiert. Jedes System, das seine Rückkoppelung abblockt, begeht Selbstmord. Jedes System, das sich weigert, die Konsequenzen seines Handelns zu sehen, ist selbstmörderisch.“
Kluger Umgang mit Fehlern
Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) gibt es in vielen Unternehmen. Sie funktionieren nur dort, wo die Kommunikation ehrlich laufen darf und die Meinung jeder Person ernst genommen wird.
Das „Kaizen-Prinzip“ wurde vom Japaner Taiichi Ohno entwickelt und von Toyota übernommen: es gibt einen Produktionsprozess, der auf die permanente Veränderung, auf den fließenden Wandel, eingestellt ist. Jede/r mit der Herstellung befasste Mitarbeiter/in kann zu jedem Zeitpunkt der Produktion das Fließband stoppen und einen Verbesserungsvorschlag einbringen. „Das ist ein nichtlinearer Prozess, wie er für wissensgetriebene Organisationen typisch ist.
Man nutzt Fehler und Irrtümer als Ausgangspunkt für eine bessere Lösung“, sagt Theo Wehner, Fehlerforscher an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Wer über Fehler redet, hat Erfolg.
„Open source“ ist eine Form von Kaizen und lädt die Benutzer/innen ein, sich an der Entwicklung zu beteiligen. Der offene Austausch über vorhandene Irrwege und die Bereitschaft der Beteiligten, daraus zu lernen und besser zu machen, zählt. Das System ist fehlertolerant und fördert eine emanzipierte Haltung.
Der eigenen Intuition vertrauen
Lisa Muhr erzählt von einer Situation, in der sie unter großem Druck die Meinung anderer wichtiger nahm als ihre eigene Intuition – und sie damit einen großen Fehler machte: „Ich hab mich bei einer Lieferfirma beschwert und dabei festgestellt, dass ich die Situation zuwenig kannte und mein Aufbegehren grundlos war. Mir war das furchtbar peinlich, für die andere Seite war es kein Problem, heute lachen wir drüber. Seitdem hör ich viel mehr auf mich selber.
Wichtig ist mir, dass die Mitarbeiter/innen sich die Arbeit entsprechend ihrer Kompetenzen einteilen, dass sie sich mit ihren Talenten einbringen.
Preisverhandlungen sollen die machen, die es können! Alles andere erhöht den Druck, bringt Konflikt, Burn out und Fehleranfälligkeit.
Wenn jemand aus unserem Team einen Fehler gemacht hat, zb. ein falscher Stoff wurde bestellt, dann trösten wir uns gegenseitig. Auch wenn es Geld gekostet hat, kann jedem/jeder passieren und wir ärgern uns gemeinsam über Gedankenlosigkeit.“
Szenenwechsel: herzhaft Lachen
Birgit Minichmayr glänzte 2009 im Burgtheater im ausverkauften „Struwwelpeter“ als Schauspielerin und Sängerin. Es war eine der ersten Aufführungen, 2. Akt, ein Lied, 3. Strophe, die Musik gleitet. Da sackt ihre Stimme ab, stottert, sucht nach Wörtern, Stille. Plötzlich, es klingt wie eine Verwunderung, ruft sie ins Publikum: „Ich hab den Text vergessen!“ Dabei lässt sie sich lachend auf den Boden fallen. Sie schüttelt sich vor Spaß, tosender Beifall während sie sich prustend halbherzig entschuldigt. Sie schaut zum Musiker und nach 2, 3 Einsätzen singt sie fehlerfrei das Lied zu Ende.
Mitfühlende Verbundenheit mit der Schauspielerin, ihrer Unmittelbarkeit und ihrem herzerfrischenden selbstverständlichen Umgang mit ihrem Fehler vibriert in der Luft. Der stürmische Applaus gilt auch für diese Berührung und Botschaft: falls dein Alptraum passiert – sei liebevoll mit dir selber – es gibt immer eine Lösung!
Fehler-Krise
Wenn das Leben wie Theater ist, dann ist es gut, vor der Krise, vor dem Alptraum eine/n Souffleuse in der Nähe zu haben. Sich vor anzeigenden größeren Veränderungen die Zeit zu nehmen und Maßnahmen zu setzen, mit denen durch Krisen gesteuert werden kann. Fehlerkompetenz ist eine Präventionsmaßnahme und keine Krisenbewältigungsmethode.
„Erfahrungen zeigen, dass in schwierigen Zeiten Menschen und Unternehmen in eine Art Panikstarre verfallen, auf alte bewährte Reaktionen zurückgreifen, wenig Freiraum haben für strategische Weiterentwicklungen. Kurzarbeit ist keine langfristig sinnvolle Maßnahme – besser wäre es, die Zeit, die nicht für Produktion und laufende Arbeit benötigt wird, für interne Weiterbildung zu nützen. Mit den vorhandenen staatlichen Subventionen in Qualifizierungen, kreative Entwicklungen zu investieren, anstatt die Leute heimzuschicken,“ rät Elke Schüttelkopf.
Fehler oder doch Glück gehabt?
Fehler, die passieren und sich dann in Vorteil verwandeln (lassen), sind Ermutigungen, an der Lebendigkeit und Kreativitätsfreude dran zu bleiben.
Klassiker sind die von Produktionsstätten veranstalteten „Flohmärkte“. So wie Heini Staudinger von GEA regelmäßig im Waldviertel seine Betriebstore öffnet und einlädt:
„ Ein kleiner Kratzer, ein auslaufendes Modell, ein Ausstellungsstück – schon wird aus 1A-Qualität B-Ware. Unser kleiner Fehler ist der große Vorteil für unsere Kunden. Wir haben aus unseren Lagern 100e Paare 2. Wahl- und Aktionsschuhe, Möbel mit kleinen Fehlern, Ausstellungsstücke geräumt …“
Das ergibt finanzielles Glück für alle – für die Kund/innen, das Unternehmen – ja, sogar für das Waldviertel. Auch wenn es noch keine offizielle Umwegsrentabilitätsmessung dazu gibt – alleine die Tatsache, dass Heini Staudinger 20 neue Mitarbeiterinnen im Jahr 2009 eingestellt hat, bereichert auf vielen Ebenen.
Martin Schneider erinnert sich, dass er mal bei Preisverhandlung keine 2% Rabatt mehr gab und deshalb den Auftrag nicht erhielt. „Ob es ein Fehler war? fragten wir uns, als wir erfuhren, dass der Mitbewerb geliefert hatte. Kurze Zeit später ging der Kunde in Konkurs und der Mitbewerb zum Anwalt.“
Der vielleicht größte Fehler
„Der größte Fehler ist es aber, etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zu verändern. Denn dass lässt sich sicher nicht mehr korrigieren. Ich bin fest der Überzeugung: am meisten bereut man die Dinge, die man nicht gemacht (verändert) hat, und nicht die Dinge die man falsch gemacht hat. Keine Fehler machen zu wollen, ist der größte.“ Elke Schüttelkopf und Martin Schneider sind sich darin einig.
Das „NZZ Folio“ der neuen Züricher Zeitung widmete diesen Sommer den Gescheiterten eine eigene Ausgabe. Was fasziniert am Scheitern, fragte wirks Dr. Daniel Weber, Chefredakteur von NZZ Folio: „Es schien uns wichtig, in unserer Gewinnerkultur einen Kontrapunkt zu setzen: Geschichten zu erzählen vom Scheitern und davon, wie die Gescheiterten wieder hochkommen – vielleicht höher als sie sonst gekommen wären. Wir haben das Heft also auch als Aufmunterung zum mutigen Leben verstanden.“
Ob wir gescheiter sind nach dem Scheitern oder nicht, hat viel mit Mut, Ehrlichkeit, Verantwortung, Weitblick und Entwicklungsfreude zu tun. Lasst es uns tun! Damit wir noch vor dem nächsten Scheitern gescheiter sind. Denn Fehler, ohne daraus zu lernen, haben wir schon genug gemacht.
So geht’s auch
Dominik ist 23 Jahre alt und seit 3 Monaten einer der jüngsten Vorarbeiter-Stellvertreter im größten Stahlkonzern Österreichs. Als er in der Schule begann die ersten Wörter zu schreiben, wurde eine ausgeprägte Lese-Rechtschreibschwäche – Legasthenie – festgestellt. Nach der anfänglichen Erschütterungsphase unterstützten eine aufgeschlossene Lehrerin mit den findigen Eltern den Jungen in 2 Richtungen:
Erstens – Ermutigung: Einstein hatte es auch – Legasthenie ist ein Talentsignal: diese Menschen haben besonders kreative Fähigkeiten und die Möglichkeit Zusammenhänge anders zu sehen. Lese-Rechtschreibschwäche ist nur ein Aspekt dieses „Talentes“.
Und Zweitens: üben. Punkt 2 wurde bald auf Grund von Erfolglosigkeit und blank liegenden Nerven reduziert, Punkt 1 gefördert: er konnte zum Beispiel genauso schnell rückwärts wie vorwärts lesen. Nur dafür gab es keine Note in der Schule.
Er begann seine Wunschlehre als Maschinenbautechniker und schämte sich anfangs dafür, dass seine Beschriftungen der Werkzeugkästen mit Sicherheit „originell“ waren. Schnell lernte er das Rechtschreibprogramm für sich zu nützen und überprüfte alles. Diese Fehler hat er seitdem unter Kontrolle.
Im Laufe seiner Lehre häuften sich die Erfahrungen, dass er Fehler bei den Maschinen fand, die seine viel älteren und erfahrenen Kollegen vergeblich suchten. Lehre als auch die folgende Meisterprüfung schloss er mit Auszeichnung ab.
Inzwischen wird er in der Abteilung „Instandhaltung“ immer dann gerufen, wenn alle anderen bereits aufgeben den Fehler an der still stehenden Maschine zu finden: er drückt einen Knopf, verletzt sich am Finger, erkennt, dass dies an dieser Stelle nicht sein dürfte und findet den Fehler dort, wo noch keiner vorher nachgesehen hat.
Seine Fähigkeit Zusammenhänge anders zu sehen, was in der Rechtschreibung eine Schwäche ist, ist jetzt seine beste Qualifikation. Dieses Talent beförderte ihn bei der nächsten Möglichkeit zum Vorarbeiter-Stellvertreter, obwohl es doppelt so alte Kollegen gab, die eigentlich „dran“ gewesen wären.
Als Führungskraft hat er jetzt wieder mehr mit geschriebenen Wörtern zu tun – dank Softwaresystemen gibt nichts mehr, wofür er sich schämen müsste.
Quelle und Dank an: www.wirks.at
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