Die Krise hat Portugals
Bevölkerung in eine Misere gerissen. Von der Mittelschicht abwärts
findet man die großen Verlierer der Krise und die ärmsten der Armen hat
es am schlimmsten getroffen. Doch wissen die älteren Portugiesen noch,
was Hunger ist und wie in den Zeiten der Diktatur nutzen sie daher jedes
Fleckchen Erde, um Kartoffeln und Gemüse zu pflanzen.
Die Menschen müssen sich anpassen, wie
sie es immer schon getan haben. Der Portugiese hat eine Mentalität, eine
Kultur und eine Erziehung der Improvisation. Im 2. Weltkrieg soll
Diktator Salazar gesagt haben:
„…rupft die Blumen raus und pflanzt Kartoffeln und Kohl…“!
Das Land war zwar neutral, lieferte aber
an den historischen Bündnispartner – Großbritannien – und an das
ideologische Vorbild – Deutschland – Getreide, Fischkonserven, Wein,
Olivenöl und sogar Wolfram und so weiter. Die Nahrungsmittel wurden
rationalisiert, damit die Großgrundbesitzer viel Geld verdienen konnten.
Dennoch hatte es auch eine humanitäre Seite (die Herr Schäuble wohl
vergessen hat) und der Nebeneffekt war eine Gesellschaft, die bis heute mit Notsituationen umgehen kann.
Hinzu kommt ein starker Zusammenhalt in Familien, Nachbarschaft
(mehr im ländlichen Bereich) und eine gute Dosis christlicher
Nächstenliebe. All das ist Teil der Erziehung der Portugiesen, ihrer
Essenz. Aber auch die Gastfreundschaft ist ein fester Bestandteil der
Portugiesen, besonders derer „einfacher Herkunft“.
Es sind vor allem diese Menschen, die das wenige das sie haben, noch teilen.
Es gibt auch Menschen die Land haben, aber aus verschiedenen Gründen
nichts damit anfangen können. Die Jugend ist ausgewandert, arbeitet in
den Städten und die Landflucht hat das Inland entvölkert und vorwiegend
Alte und Kranke zurückgelassen.
Wer auf dem Land aufgewachsen ist hat immer den Drang in der Erde zu buddeln, zu gärtnern oder ein paar Hühner zu halten.
Auch viele Städter, ursprünglich aus dem Wunsch heraus, gesundes Gemüse
und Salate zu haben, ohne Chemie und mit der Gewissheit, sich gesund zu
ernähren, suchten nach einem Fleckchen Land. Selbst wenn man hier im
ersten Moment an die Schrebergärten Mitteleuropas denkt, so trifft das
hier nicht ganz zu. Keine Gartenhäuschen, Grillstellen oder Blumenbeete.
Einen Geräteschuppen gibt es bestenfalls und ab und an bringt man sich
ein paar Klappstühle, Tische und eine Kohlegrill mit. Das ist aber vor
allem in den urbanen Gemeindegärten der Fall. Es gibt nämlich
verschiedene Gärtnerei-Bewegungen.
Da wären die entvölkerten Dörfer in den Bergen des Landesinneren, im Norden und Zentrum, und in den Weiten des Alentejo, wo
die überalterte Bevölkerung mit der Hilfe von Jugendlichen in den
Schulferien und an Wochenenden oder einfach durch Hilfsbereite Städter
unterstützt werden, die auf das Land ziehen und vorwiegend von
Zuhause aus arbeiten.
Dann gibt es in diesen Dörfern noch Felder, die
den Städten gehören und die jetzt kostenlos jedem zur Verfügung gestellt werden, der sich verpflichtet etwas daraus zu machen. Dadurch wurden schon einige Arbeitsplätze geschaffen.
Die eigentliche Besonderheit sind jedoch
die „Hortas Urbanas“ – die urbanen Gärten, die mitten in der Stadt,
zwischen Hochhäusern, innerhalb von Kreisverkehren, nahe der Autobahnen
und sogar auf Flachdächern, ein paar grüne Flecken zwischen das Grau in
Grau malen.
Städte und Gemeinden können so
in Not geratene Familien frisches Gemüse, Kartoffeln, Kräuter und selbst
Eier oder mal einen Hasenbraten ermöglichen.
In Lissabon und
Porto gibt es auch Freiwillige, die dort mithelfen um bedürftigen bei
der Ernährung zu helfen – den Hunger zu stillen. Suppenküchen werden mit
diesem Gemüse versorgt und selbst die mögliche Belastung durch die
Umweltverschmutzung hält die Leute nicht davon ab direkt an der viel
befahrenen Autobahn Tomaten, Salat oder Zwiebeln zu pflanzen. In meiner
direkten Nachbarschaft gibt es kuriose Beispiele dafür, was alles
möglich ist.
So hat jemand einen Streifen von 160 bis
20 cm Breite und 6 oder 7 m Länge eingezäunt, hat dort Wein an der
Grenzmauer eines Grundstücks gepflanzt und füllt dieses Fleckchen mit
Bohnen Kohl, Zwiebeln und so weiter. Dieses kleine Stückchen Land, ist
perfekt genutzt und hilft einer Familie dabei viel Geld zu sparen.
Doch hier in Santa Maria da Feira gibt
es noch andere Beispiele. In einer Kleinstadt die beim wachsen natürlich
immer mehr landwirtschaftliche Grundstücke zu Bauland machte. Portugal
hatte zwar keine Immobilienblase wie seine spanischen Nachbarn, aber der
Preisverfall und ein Überangebot von Immobilien, die von den Banken
gepfändet wurden, stoppte den Bauboom auch in Santa Maria de Feira.
So blieb auch ein schönes, fruchtbares
Grundstück in mitten größerer Wohnhäuser, in mitten der Stadt. Die
Vogelscheuchen sind eine kleine Touristenattraktion und seit ein paar
Jahren sieht man dort öfter Schafe auf einem Stück Wiese. Das Pärchen
hatte dieses Jahr zwei Lämmchen, die den gestressten Städter im
vorbeigehen immer ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Der Senhor José, dem
das Land überlassen wurde, war gerade beim Beschneiden des Weins, als
ich ihn fragte was es für ihn bedeutet, wenn er dieses Stück Landleben
hier in der Stadt pflegen darf. „Es ist mein Leben. Wenn ich an der
frischen Luft sein kann, die Pflanzen wachen sehe und wenn ich meine
Lämmchen beim spielen beobachte, geht mir das Herz auf. Wenn mir das mal
fehlt, dann kann ich auch gleich sterben!“
In diesem Sinne ist es klar, dass bei
den Portugiesen die Landwirtschaft – neben den Fischerei natürlich – in
der DNA verankert ist. Sei es der Kohl, der überall am Straßenrand
steht, sei es der Blumentopf mit Petersilie, Schnittlauch oder anderen
Kräutern oder sei es das Grundstück, dass mitten in der Stadt für
frisches Gemüse sorgt, es ist auf alle Fälle nachahmbar und kann als
beispielhaft bezeichnet werden. Doch da ist noch mehr. Ein Effekt ist
unbezahlbar. Es gibt dem Menschen ein Urgefühl der Ruhe und des
Friedens.
Quelle und Dank an: http://brd-schwindel.org und www.contra-magazin.com
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