Essbare Gemeinde Übelbach:
We Pimp The World! Projekt # 39
An Mut mangelt es Sandra Peham gewiss nicht: Kaum nach Übelbach gezogen, beschließt sie ihre neue Heimat zum Fressen gern zu haben und in eine “essbare” Gemeinde zu verwandeln. Damit soll die Tradition der Allmende – Selbsternte der Bürger*innen auf öffentlichen Flächen – wieder aufleben. Doch in diesem Projekt geht es bei weitem nicht nur ums Essen …
Die “Essbare Stadt Andernach” in Deutschland hat einige Schlagzeilen gemacht, die auch zu Sandra Peham vorgedrungen sind. Da die Idee, öffentliche Flächen zur Selbsternte zur Verfügung zu stellen, ganz nach ihrem Geschmack war, liebäugelte sie damit. Doch erst, als ihr der Link von einer Bekannten zugeschickt wurde, hat es bei ihr so richtig klick gemacht. Draufhin ist die gerade frisch zugezogene Sandra schnurstracks zum Bürgermeister von Übelbach, Markus Windisch, marschiert und konnte ihn schnell für die Idee gewinnen. Das war im November 2012.
Was dann geschah, liest sich fast zu schön, um wahr zu sein: Im Gemeinderat gab es einen einstimmigen Beschluss aller vierzehn ÖVP- und SPÖ-Gemeinderäte des 2.200 Einwohner*innen-Ortes, das in unmittelbarer Nähe von Graz liegende Übelbach zur ersten “essbaren” Gemeinde in Österreich zu machen. Gleich hat man den örtlichen Obst- und Gartenbauverein ins Boot geholt und eine Fläche war bald gefunden – am Kinderspielplatz gab es noch genügend Raum, er ist zentral gelegen und gut zu erreichen, gleich neben der Volksschule und dem Kindergarten. Auch andere Menschen waren bald von der Idee begeistert und legten sich kräftig ins Zeug, damit sie Wirklichkeit werden konnte: Margarete Struger und Johann Peham stellten die gesamte Planungstätigkeit ehrenamtlich zur Verfügung. Bereits im Mai 2013 begannen die Umbauarbeiten, die inklusive Bepflanzung von der Gemeinde finanziert wurden: Bei klammer Kälte und strömendem Regen wurde zehn Tage lang unermüdlich gearbeitet, um die Vision auf – und in – den Boden zu bringen.
Ein Vierteljahr später gibt es bereits eine reiche Ernte, trotz der schwierigen Witterung: Zuerst wurde die Aussaat fast ersäuft von den endlosen Regenfällen, dann kamen sengend heiße Wochen und eine lange Dürreperiode. Doch der Einsatz der Projektbetreiber*innen und die Bewirtschaftung nach der Sepp Holzerschen Permakulturmethode haben bereits frische und selbst geerntete Stangenbohnen, Broccoli, Erdbeeren, Pflückspinat, Blaukraut, Zucchini, Tomaten, Paprika, Salate und rund 30 verschieden Kräuter auf die Teller der Übelbacher*innen gezaubert. Gerade fünf Mal musste der Bewässerungsschlauch ausgepackt werden – Gärtner*innen nach herkömmlicher Art und Weise kamen heuer mit dem Bewässern nicht nach oder mussten große Ausfälle aufgrund der Dürre auf sich nehmen.
Sandras Mann Johnny, ein Oberösterreicher, der früher im Bereich der Seismik gearbeitet hat, ist ausgebildeter Permakulturpraktiker und – wie auch Sandra – treibende Kraft im Verein Permavitae. Diese Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, die Methode und Philosophie von Sepp Holzer zu verbreiten, Kurse und Ausbildungen zu organisieren und das Gelernte in konkreten Projekten anzuwenden. Anfragen gibt es bereits jede Menge, auch in den USA werden Projekte und Ausbildungen durchgeführt. Die Umsetzung der Essbaren Gemeinde Übelbach ist ein wichtiges Vorzeigeprojekt von Permavitae. Diese Expertise des Permavitae-Netzwerks im Hintergrund war wohl auch eines der Argumente, die den Bürgermeister so schnell überzeugt haben, Sandras Vorschlag umzusetzen.
Ein Teil von Sandras Erzählung lässt besonders aufhorchen – die gebürtige Leobnerin und gelernte Kinder-pädagogin ist übrigens mittlerweile auch aktiv als Märchenerzählerin und in Sachen Kindertheater: “Die Ernteerfolge nach der Holzerschen Methode sind so groß, dass man durch diese Überfülle leicht überfordert sein kann. Das möchte ich vermeiden,” erzählt uns Sandra, die vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit des Projekts zuständig ist. Im nächsten Schritt ist geplant, die Übelbacher*innen stärker ins Projekt einzubinden. Kleinere Flächen sollen dazu kommen mit überschaubarem Ertrag und gut geeignet zum schrittweisen Hineinwachsen in die neue Rolle als “Allmendegärtner*innen”. Denn die Bedürfnisse von Mensch, Tier, Pflanze und Natur in Einklang zu bringen ist eines der Grundprinzipien von Holzers Methode.
In diesem Sinne bedeutet Öffent-lichkeitsarbeit für die Essbare Gemeinde nicht etwa schnieke PR, sondern einen ständigen Dialog mit der Bevölkerung, in dem auch abweichende Meinungen und Zweifel durchaus Platz haben: “Anfangs waren viele Menschen skeptisch über unsere Anbaumethoden, da ja alles wild durcheinander wächst und sehr ungeordnet wirkt. Doch in der Permakultur erfüllt jeder Teil mehrere Aufgaben – die Kressesamen sind wichtig für den Humusaufbau, die Sonnenblumen spenden Schatten für andere Pflanzen und verhindern deren Austrockung, die Wildrosen locken die Bienen an. So arbeiten die Pflanzen im Teamwork und das führt zu den tollen Ergebnissen,” ist Sandra begeistert. Diese Ergebnisse überzeugen nach und nach auch die Skeptiker*innen in der Gemeinde. Immer mehr Menschen kommen am Spielplatz vorbei, beobachten das Wachsen der Pflanzen, treten in Kontakt und ernten, was die Beete gerade zu bieten haben.”
Ein Schritt in diese Richtung wird im Frühjahr stattfinden: An zwei Pflanztagen soll die Übelbacher Bevölkerung kräftig mitwirken, dass es auch im kommenden Sommer frisches selbstgezogenes Gemüse auf den Tellern gibt. “Der persönliche Zugang ist wichtig,” meint Sandra. “Wenn man einen Bezug zum Aussäen und Anpflanzen gewonnen hat und dann den Schösslingen beim Wachsen zusehen kann, entsteht wieder Lust und Freude an der Natur und an gemeinsamen Projekten.” Die Ernte findet in Übelbach wohl auf vielen Ebenen statt.
Wie können wir alle mithelfen das Projekt zu pimpen?
Die ersten Schritte: Folgt We Pimp The World! auf Facebook und Twitter #wptw #essgue, wo wir laufend über die Essbare Gemeinde Übelbach berichten werden.
Wenn ihr der Essbaren Gemeinde Übelbach eure Begeisterung zeigen wollt, drückt gleich mal das “Gefällt mir”-Knöpfchen auf Facebook.
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